Gegen das Vergessen
Zur Gedenkfeier für die ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger Siegens am Platz der Synagoge am 10. November hatte Herr Allon Sander, jüdischer Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Siegen, unsere Schule um einen Beitrag gebeten und dankenswerterweise hatten sich einige unserer Schülerinnen dazu bereiterklärt.
Zu Beginn der Gedenkveranstaltung stand die Ansprache des Siegener Dechanten Karl-Hans Köhle, der vor allen Dingen das widerständige Leben des Berliner Priesters und Dompropsts Bernhard Lichtenberg beleuchtete, der nach den Novemberpogromen 1938 jeden Sonntag während des Gottesdiensts für die verfolgten Juden betete, bis er schließlich denunziert, verhaftet und zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Nach dem Abbüßen seiner Strafe sofort wieder in sogenannte „Schutzhaft“ genommen, verschlechterte sich während des anschließenden Transports 1943 in das Konzentrationslager Dachau sein Gesundheitszustand derartig, dass er starb.
Danach trugen unsere Schülerinnen auf sehr eindrucksvolle Art und Weise Gedichte von zwei Holocaust-Opfern vor. Das erste Gedicht „Poem“ aus dem Jahr 1946 stammte von Selma Meerbaum, geboren 1924 in Czernowitz, heutige Ukraine, gestorben an Flecktyphus 1942 im Zwangsarbeitslager Michailowka (ebenfalls heutige Ukraine). Sie wurde 18 Jahre alt. Die 57 von ihr hinterlassenen und von Freundinnen geretteten Gedichte, erst spät wiederentdeckt und in ihrer Bedeutung erkannt, zählen heute zum literarischen Erbe ihrer Heimat, der Bukowina.
Das zweite Gedicht, „Bäume schweigen“ aus dem Jahr 2003, stammte von Halina Birenbaum, geboren als jüngstes von drei Kindern des jüdisch-polnischen Ehepaars Grynsztejn in Warschau im Jahr 1929. Sie überlebte den Holocaust, ebenso wie ihr ältester Bruder. Ihre Eltern und der jüngere Bruder wurden in Konzentrationslagern ermordet. 1947 wanderte sie aus in das damalige Palästina, heiratete, bekam zwei Söhne und arbeitete im 1948 gegründeten Israel als Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie ist immer noch, trotz ihres hohen Alters, auch in deutschen Schulen zu Gast, um von ihrer Kindheit während des Holocausts und im Konzentrationslager zu erzählen.
Nach dem Vortrag schloss sich das Kaddisch an, das Herr Sander nach ein paar Erklärungen zur Bedeutung dieses wichtigen jüdischen Gebets vortrug. Im Wesentlichen ist das Kaddisch zunächst einmal eine Lobpreisung Gottes, wird aber eben auch zum Totengedenken und am Grab eines Verstorbenen gesprochen bzw. gesungen, um zu zeigen, dass jemand da ist, der jetzt die Aufgabe der Lobpreisung Gottes für den Verstorbenen übernimmt, sodass dessen Seele dann zu Gott aufsteigen kann.
Den Abschluss der Gedenkveranstaltung bildete die Kranzniederlegung an der Erinnerungstafel für die ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger Siegens durch unsere Schülerinnen.
Viele der Anwesenden kamen danach noch mit den Mädchen ins Gespräch, um ihnen mitzuteilen, wie sehr sie deren Vortrag berührt hatte, und auch die Schulgemeinschaft bedankt sich hiermit herzlich für ihr großes Engagement.